Wir zwei sind genug

Die Geschichte von Daniel Hürlimann

Meine grösste Angst bei der «Kinderfrage» war, dass meine Partnerin anderer Meinung sein könnte als ich. Als wir die Entscheidung getroffen haben, waren wir bereits 12 Jahre ein Paar. Und obwohl wir uns so gut kannten, war die Frage «Wollen wir Kinder?» ein Unsicherheitsfaktor.

Was hätte ich gemacht, wenn sie gesagt hätte, sie will Kinder? Wäre ich bereit gewesen, Kinder zu haben, für die Beziehung? Und umgekehrt – wäre sie bereit gewesen, für mich auf Kinder zu verzichten? Wie würde unser Leben mit oder ohne Kinder aussehen? Waren wir bereit dafür? 

Zum Glück war sie gleicher Meinung (siehe «Befreiungsschlag» von Nadine).

Hast du Kinder? 

Als Mann werde ich selten gefragt, ob ich Kinder habe oder will. Aber es kommt vor. Besonders Personen, die selbst Kinder haben, fragen gerne nach dem Familienstand. Und praktisch scheint es im Geschäftsumfeld zu sein, denn dann hätte man ein gemeinsames Thema. Man könnte sich über die Hobbys der Kids unterhalten, in welche Schule sie gehen etc. 

Auch in meiner Familie wurde das Thema nicht gross angesprochen. Aber ich habe gemerkt, dass ich zögerte, laut auszusprechen, dass ich keine Kinder will. Besonders, weil es bei meiner Schwester lange nicht klappte. Als meine Nichte geboren wurde, war ich erleichtert. So können meine Eltern doch noch Grosseltern sein. Und es zeigte sich, dass sie absolut aufgehen in dieser Rolle. 

Ich hätte ihnen diese Erfahrung verwehrt.

Aber bin ich verantwortlich, meinen Eltern das Grosselterndasein zu ermöglichen?

Ist das meine Aufgabe als Sohn? Oder sind nicht alle für ihr eigenes Glück verantwortlich? Trotzdem finde ich es schön zu sehen, wie glücklich sie sind mit ihrer Enkeltochter. Dennoch habe ich nie bereut, keine Kinder zu haben.

Für die Beziehung

Ein Kind zu haben, ist eine Entscheidung fürs Leben, welche die Beziehung extrem beeinflusst. Viele machen sich viel zu wenige Gedanken, bevor sie sich fortpflanzen. Ein Kind rettet keine Beziehung, davon bin ich überzeugt. Viele bleiben jedoch zusammen wegen der Kinder. Und wenn diese dann im «scheidungsfähigen» Alter sind, trennt man sich. Das habe ich schon mehr als einmal beobachtet.

Als kinderfreies Paar entscheidest du dich jeden Tag aufs Neue für die Beziehung.

Man kann Wohnungen kündigen, Tische halbieren, Sofas verkaufen … Fuck it. Es tut weh, aber es leiden nur die zwei Personen. 

Galerie des Lebens

Klar, man macht sich Gedanken - wie denke ich in 20, 30 Jahren über die Entscheidung kinderfrei zu leben? Bereue ich etwas? Kinder geben dem Leben automatisch gewisse Meilensteine vor: Die Geburt, der erste Geburtstag, die ersten gemeinsamen Weihnachten, das erste Wort, die ersten Schritte, der erste Schultag, der erste Herzschmerz, der Schulabschluss, der erste Job, die Verlobung, Hochzeit, Enkel – ich könnte noch lange weitermachen. Ja, das verpasse ich, wenn ich keine Kinder habe.

Ich bin der Meinung, dass man seine Bilderrahmen mit anderen Erinnerungen füllen muss. Und das Schöne ist ja, dass man ohne Kinder mehr Zeit und – ja, sorry, Geld – dafür hat. 

Man ist selbst verantwortlich für die Highlights im Leben, die nicht organisch einfach passieren – wie eine staatlich verordnete Einschulung.

Alleine sterben

«Du wirst alleine sterben.» Das wurde mir an der Taufe meines Göttimeitlis ins Gesicht gesagt, als ich erwähnte, keine eigenen Kinder zu wollen. Aber ist es selbstverständlich, dass die Kinder für einen da sind, bis zum Schluss? Ich wiederhole: Ist das ihre Aufgabe? Und will ich, dass die Kinder da sind, weil sie «müssen»? Du stirbst alleine, ob du Kinder hast oder nicht. Wenn du das so willst. Ich habe es in den eigenen Händen, ob mich jemand auf meinem letzten Weg begleitet – freiwillig, nicht weil Familienbande es diktiert. Sei es aus Pflichtbewusstsein oder schlechtem Gewissen … Blut ist nicht dicker als Wasser.

Familie wählt man sich aus. Ich betone immer, dass meine Frau und ich auch eine Familie sind. Eine kinderfreie Familie. Bereits in meinem Ehegelübde habe ich das gesagt: «Wir zwei sind eine Familie». Und da war noch gar nicht entschieden, dass wir keine Kinder wollten. Aber mir war wichtig, dass klar ist, dass wir zwei genug sind. 


Daniel Hürlimann

*1984, im Zürcher Oberland aufgewachsen. Seit der Lehre ist Daniel leidenschaftlicher Informatiker und aktuell in der Gastronomiebranche unterwegs. Stolzer Besitzer eines VW Büsli, mit dem er zusammen mit seiner Partnerin Nadine (Co-Gründerin dieser Plattform) die Welt entdeckt.

Gastautor*in

Danke liebe Gastautorin, lieber Gastautor, dass du deine Geschichte mit uns teilst. Möchtest auch du, liebe Leserin, lieber Leser deine kinderfreie Geschichte hier lesen? Dann melde dich bei uns.

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