Enkelfrei
Wer kinderfrei bleibt, verwehrt seinen eigenen Eltern unweigerlich die Chance, Grosseltern zu werden. Und sich selber natürlich auch. Keine Kinder = keine Enkelkinder. Aber wollen denn wirklich alle Grosseltern werden? Und kommt mir jetzt nicht mit: «Wer kümmert sich denn mal um dich, wenn du alt bist?» - das haben wir bereits abgehandelt ;-)
Die Entscheidung kinderfrei zu leben ist in erster Linie eine sehr persönliche. Aber dennoch hat dieser Entscheid einen Einfluss auf andere Menschen. Den Partner oder die Partnerin zum Beispiel. Oder die eigenen Eltern.
Druck auf Einzelkinder
Über Instagram hat uns folgende Nachricht erreicht:
«Wenn man ein Einzelkind ist wie ich, war das für mich ein schwieriges Thema. Ich hatte keine Geschwister, die mir das ‘abnehmen’ konnten- im Sinn von – ja mein Bruder wird ja Vater und schenkt somit meinen Eltern ein Grosskind. (…) Ich habe mit ihnen das thematisiert und das hat mir den Druck weggenommen.»
Das hat mich neugierig gemacht - so habe ich Anna (anonymisiert) ein paar Fragen gestellt:
Anna, wie hat sich der Druck, deine Eltern zu Grosseltern zu machen, bemerkbar gemacht?
Von meinen Eltern aus eigentlich gar nicht. Den Druck, den habe ich mir eher selber gemacht. Ich bin ein Einzelkind und hatte immer das Gefühl, ich muss meinen Eltern doch ein Enkelkind schenken. Und ich habe mir tatsächlich deswegen mal überlegt, ein Kind zu wollen – nur damit ich sie glücklich machen kann.
Hast du dich mit deinen Eltern ausgesprochen? Wie war das für dich?
Ich habe mich dann mal getraut, die Sache offen anzusprechen, das war vor ca. vier Jahren. Ich habe ihnen gesagt, dass ich keine Kinder haben möchte und mir mein Leben so sehr gut gefällt, wie es ist. Und ob das für sie schlimm sei, wenn sie nie Grosseltern werden würden. Ihre Antwort:
„Für uns ist alles gut. Hauptsache, du bist zufrieden und glücklich, das ist uns das Wichtigste.“
Es kam ehrlich rüber und ich hatte auch nie das Gefühl, dass es nicht so gemeint war. Was ich zudem beobachte; meine Eltern haben einige Freundschaften zu Menschen, die auch keine Grosseltern sind. Das gibt mir etwas Ruhe. Wenn alle ständig mit meinen Eltern über ihre Enkelkinder sprechen würden, dann hätte ich wohl Mühe damit.
Was glaubst du, wie geht es ihnen mit deiner Entscheidung?
Es gibt immer wieder mal Momente, wo ich denke, dass es ihnen in vielen Situationen recht ist, dass sie keine Grosseltern sind. Wir machen oft Dinge zu Viert - also mein Mann, meine Eltern und ich - und wir können die Zeit einfach geniessen mit gutem Essen, Wein, Brändi Dog spielen, Jassen, in die Ferien gehen… Ohne, dass ständig jemand reinquasselt oder die Gespräche unterbricht (Lesetipp: Gehen bei Enkel*innen die Kinder vergessen?). Sie sind voll ausgelastet mit Sport, verschiedenen Unternehmungen und Freiwilligenarbeit – das ist auch etwas, das mir Ruhe gibt. Wenn sie gelangweilt wären, würde ich mir öfters den Kopf darüber zerbrechen, obwohl ich nicht für das Glück und die Beschäftigung meiner Eltern verantwortlich bin.
Danke Anna für deine Antworten!!
Grosseltern als Carearbeitende
Anna spricht ein wichtiges Thema an; nämlich, dass vielleicht gar nicht alle Eltern Grosseltern werden wollen. Denn das Grosselterndasein ist nicht nur Kür sondern oftmals auch Pflicht.
Für viele Eltern ist die Hilfe der Grosseltern bei der Kinderbetreuung essentiell. Krippenplätze sind rar und teuer. Grosseltern, die gratis Carearbeit machen, sind günstiger. 72% der Grosseltern betreuen gelegentlich bis regelmässig ihre Enkelkinder. 45% der Grossmütter hüten mindestens 1x wöchentlich die Enkel - bei den Grossvätern sind es 33%. Insgesamt schätzt man diese unbezahlte Carearbeit auf 157 Millionen Stunden pro Jahr! Umgerechnet sind das 7.7 Milliarden Schweizer Franken (Quelle: bfs.ch).
Klar, viele Grosseltern machen diese Carearbeit mit viel Freude. Aber es ist auch eine Verpflichtung. Wenn du als Grossmutter oder -vater fixer Teil der Betreuung deiner Enkel bist, weil die Eltern arbeiten wollen oder müssen, bist du gebunden. Wird den Grosseltern die Wahl gelassen? Akzeptiert man auch ein Nein? Hinterfragen Grosseltern überhaupt aktiv, ob sie die Betreuung übernehmen wollen oder machen sie es einfach, weil man es halt so macht?
Lesetipps - für alle, die fürchten, ohne Kinder und Enkel sind sie alleine im Alter - und wer gerne Bücher liest; “Altern” von Elke Heidenreich - den Buchtipp lest ihr hier.
Wie erlebt ihr das? Hattet ihr auch solche Gedanken? Wie haben eure Eltern reagiert?