Dieses Lebensmodell überzeugte mich nicht
Die Geschichte von Nuria
Als ich ein Kind war, beobachtete ich die Eltern meiner Mitschüler:innen genau. Ich stellte fest, dass viele zwar liebevoll mit ihren Kindern umgingen und es generell genossen, eine Familie zu haben – im Gegensatz zu meinen überforderten Eltern. Trotzdem überzeugte es mich nicht, dass dies eine erstrebenswerte Lebensform für mich wäre.
In meiner eigenen Familie war es nicht gemütlich. Meine Mutter war generell unzufrieden und stritt viel mit meinem Vater. Ab und zu schlug sie uns drei Kinder auch. Gerne hätte ich mit meinen Schulkamerad:innen getauscht oder stellte mir vor, ich würde von einer schöneren und harmonischeren Familie adoptiert werden.
„Ich fand aber auch das Leben der Hausfrauen langweilig und unattraktiv. “
Und darum war für mich bald klar, dass ich keine Kinder wollte. Sie schienen mir ein Hindernis zu sein auf dem Weg zur Erfüllung meiner Träume. Nämlich eine interessante Arbeit zu haben und viel zu reisen.
Es gab schon eine Zeit, als ich mir vorstellte, wie es wäre, die Welt durch die Augen eines Kindes zu sehen und sozusagen die eigene Kindheit nochmals zu erleben. Aber dieses Mal schöner. Ich stellte mir vor, wie toll ich das Leben einem Kind einrichten könnte, mit vielen Sachen, die ich nicht hatte. Aber auch den Vorteilen, die ich genoss, z. B. Klavierunterricht oder eine gute Grundausbildung in Mathe und in Sprachen.
Aber dann befürchtete ich, dass ich meine Kinder ebenfalls schlagen würde, weil ich geschlagen wurde. Und weil ich nicht gelernt hatte, meine Emotionen zu kontrollieren. Von meinen Eltern hatte ich vor allem mitbekommen, dass man seine negativen Gefühle unkontrolliert in die Welt herausschreit.
Abgesehen davon war mir bald klar, dass ein Kind ein eigenes Wesen und nur bedingt nach den eigenen Vorstellungen formbar ist. Und es würde viel Opferbereitschaft von mir brauchen, mit sehr ungewissem Ausgang.
„Dazu war ich nie bereit.“
Ich glaube, dass viele Eltern sich das Kinderhaben einfacher und leichter vorgestellt haben. Aber die wenigsten würden sich trauen, dies auch zuzugeben. Generell gilt in unserer Gesellschaft, kräftig unterstützt von der Werbung, dass nur eine Familie das vollkommene und glücklichste Leben garantiert.
Dem gilt es zu widerstehen. Nicht jede:r sollte Kinder haben. Und wenn man keine hat, umgibt man sich mit Leuten, die auch keine haben und vielfältige und interessante Leben führen und für mich interessantere Gespräche bieten als diejenigen, die nur von ihrer Familie erzählen.
Ich bin um die Welt gereist und habe meine Wünsche erfüllt. Ich bin nun 60 und immer noch voller Elan und Zukunftsträumen. Ich bereue es kein bisschen, dass ich nie Kinder hatte. Und nein, ich werde sicher nicht einsam sein im Alter – im Gegenteil.
Nuria
ist 60 und verfolgt mit Elan ihre Zukunftsträume