Das Leben hat so viel anderes parat
Die Geschichte von Rita*
Schon in der Primarschule sagte ich, dass ich keine Kinder wolle. Denn zu meiner Zeit wurde uns schon von klein auf eingehämmert, dass wir Mädchen mal Mutter und Hausfrau werden – und das nervte mich immer. Jetzt, mit 63 Jahren stehe ich kurz vor meiner Pensionierung. Das Thema «Kinder» ist somit kein Thema mehr und ich werde zum Glück endlich damit in Ruhe gelassen.
In der Sekundarschule wurde es noch schlimmer. Ich koche und haushalte bis heute nicht gerne. Lieber reise ich, lerne Fremdsprachen oder lese Bücher. Eine Hauswirtschaftslehrerin sagte mir einmal: «Wenn du dich weiterhin so benimmst, dann wirst du nie einen „richtigen“ Mann bekommen!» Das sage ich meinem Mann spasseshalber heute noch ab und zu: Dass er ja gar «kein richtiger» Mann sei. :-)
Mir waren all die Sprüche egal und ich zog mein kinderfreies Bedürfnis durch. Erstens spürte ich weder «Kinderwunsch» noch «Muttergefühle» und zweitens hatte ich zahlreiche Kolleginnen, die wegen einer unerwünschten Schwangerschaft entweder «zwangsheiraten» oder die Lehre abbrechen mussten.
„Ich sah viel Unzufriedenheit und finanzielle Probleme bei Frauen als alleinerziehende Mütter und war jedes Mal froh, dass ich den kinderfreien Weg gewählt hatte.“
Teilzeit-Mutter wäre für mich vielleicht gerade noch so knapp gegangen. Aber in meiner Generation war das völlig undenkbar. Und jedes Mal, wenn ich ein Kind von einer Kollegin für ein paar Stunden gehütet hatte, war ich jeweils froh es wieder zurückzugeben und meine Freiheit zu haben.
Ich wollte Unabhängigkeit, tun und lassen, was ich wollte und reisen soviel ich wollte. Ich konnte mir schlicht und einfach nicht vorstellen, ein Kind zu haben. Und hätte es auch einem Kind gegenüber nicht verantworten können, dass ich ihm dann «die Schuld» zuschiebe, wenn ich weniger Freiheit habe. Und wäre ich ungewollt schwanger geworden, so hätte ich abgetrieben. Aber da ich im Gesundheitswesen arbeite und gute Kenntnisse über den Körper habe, wendete ich immer div. Verhütungsmethoden in Kombination an und bin damit gut gefahren.
Als ich meinen Mann kennenlernte (mit dem ich nun 29 Jahre verheiratet bin), sagte ich ihm gleich zu Beginn, dass für mich Kinder nicht infrage kämen und falls er an Familiengründung denke, dann müssten wir unsere Beziehung besser gleich wieder stoppen. Er war im ersten Moment durch diese klare und entschlossene Ansage etwas überrumpelt, fand es dann aber sehr offen und ehrlich, dass ich dieses Thema gleich zu Beginn so direkt thematisierte. Er war sehr schnell einverstanden.
Ich bekam natürlich all die plakativen Aussagen von meiner Umgebung jahrelang zu hören. Das liess mich selbst immer provokativer werden. Für damalige Verhältnisse gab ich immer mehr schockierend-freche Antworten wie z. B.:
Mein Mann ist steril.
Ich habe eine zu kleine Gebärmutter.
Meine Eier sind unfruchtbar.
Mir fehlt ein Hormon.
„Häufig wurde ich dann dafür bemitleidet. “
Aber sobald ich sagte «Viel zu teuer, ich habe kein Geld für ein Kind.», erntete ich grobes Unverständnis und kopfschüttelnde Kritik: «Ein Kind kann doch nicht mit Geld verglichen werden!» Wieso denn nicht? Wenn man seit Jahren weiss, dass alleinerziehenden Müttern sehr oft die Armut droht?
Auch «Im Alter bist du dann alleine» habe ich konsequent quittiert mit: «Du willst mir nicht sagen, dass der Sinn des Lebens ist, Kinder auf die Welt zu stellen, um im Alter nicht alleine zu sein? Und was ist, wenn deine Kinder in der heute globalisierten Welt im Ausland leben? Willst du ihnen das etwa verbieten? Politisch gilt in der Schweiz leider noch immer: Töchter und Schwiegertöchter sollen den alten Eltern dann mal schauen – und zwar gratis!
Tja, aber solange die Frauen alles schön brav mitmachen, wird sich in der Gesellschaft nichts ändern. Was mich am meisten gestört hat: Am meisten wurde ich von Frauen attackiert und als Egoistin angegriffen und nicht von Männern. Und deshalb finde ich es gut, wenn der Mythos «Mutterschaft» endlich von den Frauen selbst vom Sockel geholt wird.
Meine Haltung ist noch immer: Es gibt ein Leben mit Kindern und es gibt ein Leben ohne Kinder. Und jede dieser beiden Entscheidungen hat seine eigene Dynamik, so dass frau selber entscheiden darf, was ihr besser entspricht.
„Das Leben hat so viel anderes parat als Mutter und Hausfrau, sodass ich meine kinderfreie Entscheidung bis heute noch nie bereut habe.“
Rita*
ist 63 Jahre alt, arbeitet im Gesundheitswesen, ist seit 29 Jahren verheiratet und lebt mit Ihrem Mann in der Schweiz.
*Pseudonym