Was habe ich von einer Familie?
Die Geschichte von Toby
Der Grund, weshalb ich keine Kinder habe und auch keine Kinder haben möchte, liegt in meiner Familiengeschichte begründet. Ohne jemandem eine Schuld zuzuweisen, teile ich meine Geschichte.
Ich wurde als Dritter von drei Buben in eine klassische Familie geboren: der Vater, Kleingewerbler, war dafür verantwortlich, dass die Familie finanziell über die Runden kam. Die Mutter wäre für den Haushalt und die Erziehung von uns drei Brüdern verantwortlich gewesen. Konjunktiv, richtig.
Meine Mutter hatte laut ihren eigenen Erzählungen schon früh Mühe, sich in eine Gesellschaft mit ihren guten Seiten, aber auch weniger guten Seiten einzugliedern. Jedenfalls sieht sie überall mindestens ein Haar in der Suppe, oft sind es ganze Haarbüschel.
„Sie beklagte sich auch regelmässig, dass sie viel zu früh Kinder bekommen hätte.“
Meine Vermutung ist, dass sie mit der Gründung einer Familie ihre eigene kleine Welt schaffen wollte und einen Grund hatte, sich dadurch aus dem Erwerbsleben mit all den Interaktionen mit Kolleg:innen, vorgesetzten Personen und Kund:innen zu verabschieden. Das war in den Sechzigerjahren.
Und so wurden wir erzogen: Was die Nachbarskinder taten, war nichts für uns. Fussballspielen? Sicher nicht! Beim Skifahren den Skilift benutzen? Es gehöre auch dazu, den Berg hochzukraxeln, nur so mache die Talfahrt dann Freude. Dinge unternehmen, rein aus Spass? Auf keinen Fall! Alles musste einen Sinn haben und man ist ständig verpflichtet, „an sich zu arbeiten.“
Mit diesem Rucksack an „Lebenserfahrungen“ lernte ich aus Distanz zu betrachten und meine eigenen Schlüsse zu ziehen. Daraus entwickelte sich ein nicht ganz der Norm entsprechender Lebensplan. Dazu gehört die Frage:
„Was habe ich davon, wenn ich eine Familie mitgründe?“
Für mich bedeutet mit meiner Erfahrung Familie und Kinder hauptsächlich Chrampf und Chnortz. Ich habe mich früh entschieden, meine Gene nicht weiterzugeben. Bis jetzt habe ich meine Entscheidung nicht einen einzigen Moment bereut.
Interessant finde ich hingegen, wie eine aufgeklärte und sonst doch auf die Bedürfnisse des Individuums eingehende Gesellschaft auf meinen Entscheid reagiert.
„Diverse Frauen wollten von mir nichts mehr wissen, wenn ich ihnen im frühen Stadium des Kennenlernens darlegte, dass Vater werden für mich keine Option sei.“
Oder dann jene, die bestimmt in ihren Rollen als Eltern ihre Erfüllung fanden, mir weis machen wollen, was ich alles verpasse, weil ich keine Kinder gezeugt habe. Ich hätte wahrscheinlich genauso viele Argumente dagegen. Allen voran, dass ich nicht für eine weitere dysfunktionale Familie mitverantwortlich sein möchte. Aber ich lasse es jeweils.
Wir sind doch eigentlich alle stolz darauf, wie wir unsere Leben rational gestalten. Wirklich? Immer? Wie gesagt, ich mache niemandem Vorwürfe, der*die sich für eine andere, konventionellere Lebensgestaltung entscheidet, und ich finde Kinder in den meisten Fällen auch lustig und herzig.
„Aber gibt es einen rationalen Grund, Kinder zu zeugen?“
Generell ist die Erde überbevölkert und wenn wir als Menschheit überleben möchten, müsste jeder von uns seine Bedürfnisse in allen Lebenslangen gewaltig zurückschrauben. Und wer ist dazu bereit? Auch individuell gibt es bei uns in Mitteleuropa keinen rationalen Grund, weshalb man Kinder „haben muss“: Die Altersvorsorge ist weitgehend geregelt, die Betreuung – wenn’s denn gesundheitlich nicht mehr gut gehen sollte – ist wahrscheinlich durch entsprechend geschultes Personal besser gewährleistet, als durch Familienangehörige.
„Und wer von uns kann von sich behaupten, dass sein Gencode fürs Überleben der Menschheit unerlässlich sei?“
Wenn ich all jenen Eltern zuhöre, welche Job, Freizeit, gesellschaftliche Verpflichtungen und den eigenen Nachwuchs unter einen Hut bringen müssen, muss Kinder haben tatsächlich ein Chrampf und ein Chnortz sein. Ob dabei nicht das eine oder andere auf der Strecke bleibt?
Kinder zeugen ist in erster Linie eine emotionale Angelegenheit und zweitens ein gesellschaftlicher Zwang.
Finde ich.
Trotzdem: Leben und leben lassen.
Toby