Kinder waren nie die Antwort
Die Geschichte von Marta*
Für mich war die Kinderfrage tatsächlich ein gesundheitliches «Problem». Ich war als Teenager an der Dialyse und habe heute ein Nierentransplantat. Ich musste rational abwägen, was wichtiger ist und kam zum Schluss, dass es meine gesundheitliche Sicherheit ist. Aber das ist nur die eine Seite der Geschichte.
Ich bin inspiriert vom Feminismus und dem alternativen Leben, ohne darin fanatisch oder dogmatisch zu sein. Das «Heimchen am Herd» war mir als Lebensmodell schlicht zu konservativ und das Leben darin zu vorhersehbar. Einschliesslich einer eventuellen Scheidung.
In meinem Leben geht es mir auch darum, neue Lebensmodelle auszuprobieren und auf neuen Pfaden zu wandeln. Ich konnte vieles im Leben machen und bin dafür dankbar. Auch für die Freundschaft zu Leuten mit Kindern. Ich vermute jedoch, viele trauen sich nicht, vertraute Bahnen im Leben zu verlassen und klammern sich dann an konservative Lebensmodelle. Das gibt vermeintliche Sicherheit. Tatsächlich ist das keine Sicherheit – vor gar nix.
Wir alle sind ein wenig auch ein Produkt der jeweiligen Zeit und Familiengeschichte. Ich vermute, mit heute fast 60 Jahren und aus einer Gewerkschaftsfamilie stammend, hat mich in jungen Jahren all dies geprägt. Ich bin in Deutschland in der Zeit der Gründung der Grünen aufgewachsen, eine Behindertenbewegung ist entstanden usw. Ausserdem war ich krank, meine Mutter hatte Schizophrenie und meine Grossmütter haben in der Fabrik gearbeitet.
„Das Hausfrauenmodell habe ich nie kennengelernt.“
Zwischendurch gab es schon das Motiv: Wenn ich aufgrund meiner Gesundheit eh keine Chance habe, dann beweise ich erst recht das Gegenteil. Es gab durchaus Frauen, die trotz meiner Krankheit eine Schwangerschaft wagten – mit teils gravierenden gesundheitlichen Folgen. Mich haben diese Geschichten eher abgeschreckt.
„Dass das Leben der Frau oftmals weniger wert ist, als das Leben des Kindes, find ich seltsam.“
Geschichtlich betrachtet war bei Schwangerschaft ja lange Zeit das Leben der Frau oftmals weniger Wert als das Leben des Kindes. Irgendwie hat sich das bei diesen Frauen wohl verinnerlicht, die haben ihre eigene Gesundheit aufs Spiel gesetzt für ein Kind. Fand ich seltsam.
Durch meine Krankheit war ich ohnehin «anders» als die meisten in meinem Alter. Wer kommt schon als Teenager an die Dialyse? Und letztlich war ich einfach schon immer ein bisschen «rebellisch» und durch arbeitende Grossmutter und Mutter geprägt.
Kritisch mir selbst gegenüber muss ich anmerken: So easy wie ich mir ein unkonventionelles Leben vorgestellt habe, ist es nicht. Aber auch wenn es mal schwierig ist:
„Für mich wären Kinder und Familie nie die Antwort auf ein Problem gewesen.“
Vielleicht bin ich einfach nur ein mutiger und neugieriger Mensch und führe darum ein solches Leben. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, kinderfeindlich zu sein, oder bestimmte Lebensformen abzulehnen. Mir kommt es jedoch vor, als ob die viel gepriesene Pluralität von Lebensformen real eher eine Monokultur ist. Diesen Umstand kritisiere ich sehr wohl.
Marta*
ist fast 60 Jahre alt und lebt in Deutschland
*Pseudonym