Kinderfreie Buchtipps
Es gibt sie, die Bücher über das kinderfreie Leben. Und ich habe mir vorgenommen, sie alle zu lesen und hier eine kurze Rezension darüber zu erfassen. Inputs sind sehr willkommen (gerne in den Kommentaren, über Social Media oder via info@kinderfrei-leben.ch).
Dieser Artikel wird immer ergänzt, wenn ich wieder ein Buch fertig habe. Den Anfang macht ein “Klassiker”, nämlich:
Motherhood
Von Sheila Heti
Mir wurde gesagt, das Buch MÜSSE ich einfach lesen. Es sei DAS Buch über die Entscheidung, keine Kinder zu wollen. Und ich muss sagen - ja, es stimmt. Heti beschreibt ihren Weg hin zur Kinderfreiheit, sie debattiert heftig mich sich und zieht Würfel zu Rate, um Entscheidungen herbeizuführen.
Man merkt, dass sie (oder ihre Protagonistin) sehr mit der Entscheidung ringt. Sie durchläuft richtiggehende Trauerphasen, wenn sie daran denkt, kein Kind auf die Welt zu bringen. Auch stellt sie ihre Beziehung in Frage mit einem Mann, der bereits ein Kind hat, bespricht die Beziehung zu ihrer Mutter und zu ihren Freundinnen (“She has gone to an underground that feels taboo for me, personally, and I am travelling to a place that feels taboo for her (...) It frightens her as much as to have a child scares me.”)
Das Buch ist stellenweise anstrengend zu lesen, weil Heti enorm viele Emotionen durchmacht. Ich kenne diese von mir persönlich auch, aber sie schwarz auf weiss zu lesen, ist manchmal fast schmerzhaft. Dennoch; eine klare Leseempfehlung! Neben den anstrengenden Phasen haut Heti immer wieder Zitate raus, die einfach begeistern. Mein Smartphone ist voller Fotos von Seiten aus ihrem Buch. Eines meiner Lieblingszitate:
Übrigens; in der Zeitschrift annabelle ist ein tolles Interview mit Sheila Heti erschienen. Das möchten wir euch nicht vorenthalten.
Regretting Motherhood
von Orna Donath
Ja, dieses Buch gehört zwingend auf die Liste der lesenswerten Bücher für kinderfreie Menschen oder solche, die mit dem Gedanken spielen, einer zu werden. Denn die Frauen, die in diesem Buch zu Wort kommen, haben Kinder gekriegt und bereuen es. Einige von ihnen wussten eigentlich, dass sie keine Kinder wollten, aber haben sich durch den Druck der Gesellschaft, der Familie oder des Partners dazu verleiten lassen. Andere haben während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemerkt, dass das Muttersein nichts für sie ist. Zurück können sie nicht. Sie werden niemals wieder die Mutter von Niemandem sein. Das ist sozusagen das Gegenbeispiel von «du wirst es bereuen, keine Kinder gekriegt zu haben».
Donath, die übrigens bewusst kinderfrei lebt, hat eine grossflächige Befragung unter Müttern, die die Mutterschaft bereuen gemacht. Die Ergebnisse ihrer Studie fliessen in das Buch ein und sie zitiert grosszügig aus den Interviews mit den Frauen. Sie möchte damit ein Tabu brechen – nämlich, dass sich durch das Muttersein nicht automatisch Zufriedenheit einstellt. Dass nicht jede Frau eine geborene Mutter ist.
Nie Nie Nie
von Linn Stromsborg
Eine in Romanform geschriebene Ode ans kinderfreie Leben. Ich hatte das Buch in nur 2 Tagen durch, musste lachen, manchmal ein Tränchen verdrücken und fühlte mich zu 100% verstanden. Manchmal kam es mir beim Lesen so vor, als hätte ich diese Zeilen geschrieben, so stark konnte ich mich identifizieren mit der Protagonistin.
Sie wird auch von Zweifeln geplagt, ob ihre Entscheidung zur Kinderfreiheit die richtige war. Aber eigentlich weiss sie tief in sich drin, dass es keinen Grund zum Zweifeln gibt. Das war für mich als Leserin sehr erfrischend und irgendwie beruhigend, denn ich kann ihr nachfühlen.
Das Buch dreht sich um Liebe – Liebe zu den Eltern, zu den Grosseltern, zu Freund*innen, zum Partner. Es geht um die Frage, ob diese Liebe genug ist, oder ob etwas fehlt – die Mutter- respektive Vaterliebe. Und was sich lohnt zu opfern dafür – oder eben nicht. Es geht um Einsamkeit, um Vorurteile, Beziehungen… Es geht um Leben.
Eine klare Empfehlung für alle, ob sie kinderfrei leben oder nicht. Das Buch ist nicht wertend, weder auf die eine noch auf die andere Seite, aber es gibt einen schönen Einblick in die Gefühlswelt einer kinderfreien Person.
Was wir in die Welt bringen
von Jeannine Donzé
“Frauen zwischen kinderlos und kinderfrei” - so lautet der Untertitel des Buchs und er trifft ins Schwarze. Denn es geht nicht nur um Frauen, die sich freiwillig und im positiven Sinne als kinderfrei bezeichnen. Es werden ausserdem Frauen portraitiert, die sich als Mutter gesehen hätten, es aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht werden konnten. Wie sie mit dieser Situation, diesem Verlust umgehen und wie sie ihr Leben neu gestalten, als kinderfreie Frauen.
Die Autorin hat mit verschiedensten Frauen gesprochen und ihre Geschichte zur frei gewählten oder erzwungenen Kinderfreiheit auf Papier gebracht. Ganz ähnlich wie wir das hier auch machen auf dem Blog :) Ausserdem betrachtet sie Kinderfreiheit u.a. aus wissenschaftlicher, soziologischer und medizinischer Sicht, was dem Buch noch mehr Tiefe gibt. Auch die Themen Reproduktionsmedizin und Adoption werden besprochen.
Mythos Mutterinstinkt
von Annika Rösler und Evelyn Höllrigl Tschaikner
Nicht ein kinderfrei-Buch per se, aber eine spannende Lektüre für alle, die es satt haben, dass die biologische und hormonelle Keule geschwungen wird, wenn man sagt, man wolle keine Mutter sein. Die zwei Autorinnen - beides Mütter - ziehen moderne Hirnforschung hinzu, um zu widerlegen, dass es den natürlichen Mutterinstinkt gibt! Das spannendste Experiment, das sie beschreiben ist eine israelische Studie von 2014, die besagt, dass sich der Hormonhaushalt und die Hirnstruktur bei homosexuellen Männern, die ein Kind adoptieren, ähnlich stark verändert wie jenes einer biologischen Mutter (S. 113-114). Schlussendlich ist das Fazit; Mutter- und Vaterinstinkt sind nicht angeboren sondern werden gelernt - unter anderem, weil die Eltern Zeit mit ihren Kids verbringen. Und umgekehrt ist es für mich als kinderfreie Person irgendwie beruhigend, dass ich als biologische Frau nicht per se Mutterinstinkt und -gefühle habe UND dass man auch als nicht-Zeuge*in einem Kind Mutter oder Vater sein kann!
Altern
von Elke Heidenreich
Noch ein Buchtipp, bei dem es nicht direkt um das kinderfreie Leben geht. Aber…. Wow, das ist ein echter MUSS-Lesetipp! Elke Heidenreich, 81 Jahre alt, kinderfrei, reflektiert auf rund 100 Seiten über das älter werden. Eine Wohltat für alle, die sich Sorgen machen, Alleine zu altern oder generell Angst haben, zu altern. Der Jugend trauert Heidenreich nicht nach. Im Gegensatz plädiert sie klar dafür, dass das Leben im Alter sehr lebenswert ist, trotz Einschränkungen. Und dass es, wie sie es ausdrückt “nicht wichtig ist, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.” Da liest man solche Perlen: