10 Antworten auf die Kinderfrage von der Expertin
Will ich Kinder? Zu genau dieser Frage bieten Anna Schmutte und Sarah Diehl von «Die Kinderfrage» Online-Kurse, Wochenend-Seminare sowie private Coachings an. Im Interview gibt uns Therapeutin Anna Schmutte einen kleinen Einblick.
Die Frage an sich ist simpel. Aber wieso fällt es vielen schwer, die Antwort auf die Kinderfrage zu finden?
Dann kommen weitere Fragen hinzu: Was macht es mit unserer Liebesbeziehung, wenn wir Eltern werden? Oder werde ich meinen Beruf weiter ausüben können wie bisher? Kann ich meinem Kind den Klimawandel zumuten und der Welt noch einen weiteren Menschen? Es gibt so viele Themen, die mit der Kinderfrage zusammenhängen. Das macht die Antwort darauf so schwierig.
Welche Ängste und Fragen tauchen bei Kurs-Teilnehmenden oft auf?
Die Angst vor der Reue im Alter. Wenn ich keine Kinder kriege, werde ich dann einsam sein? Die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen und diese dann später zu bereuen – egal, wofür ich mich entscheide. Angst vor Schwangerschaft und Geburt. Angst, im Job zurückstecken zu müssen. Angst, dass sich die Liebesbeziehung verändert. Die Frage, ob ich etwas Unvergleichliches verpasse, wenn ich kein Kind bekomme. Angst, keine guten Eltern zu sein. Die Liste der Fragen und Ängste ist lang …
Was sorgt für die meisten Aha-Momente?
Anderen zuhören und merken, dass ich nicht allein bin mit meinen Fragen. Es gibt so viele Menschen, die sich ähnliche Fragen stellen.
Und die Erkenntnis, dass keine Entscheidung 100 % richtig sein muss. Wir sind komplexe Wesen und es gibt vielleicht nicht nur die eine richtige Entscheidung. Es ist möglich, dass ich mich auch mit verschiedenen Szenarien wohlfühlen könnte, und mein Kinderwunsch oder kinderfreies Leben mit weiteren Rahmenbedingungen zusammenhängen, die ich für mich klären kann.
Was sind die häufigsten Gründe gegen Kinder, die du von den Kurs-Teilnehmenden hörst?
Menschen, die ihr Leben ohne Kinder geniessen, sich das Leben als Eltern einschränkend und anstrengend vorstellen und sich eher in einem kinderfreien Leben vorstellen oder keinen starken Wunsch nach Kindern spüren.
Manche sind sich auch nicht zu 100 % sicher, dass sie wirklich keine Kinder wollen. Sie haben jedoch momentan keine Beziehung, sind Ende 30 und wollen auf keinen Fall ein Kind alleine grossziehen.
Was rätst du, wenn sich jemand für ein Leben ohne Kinder entschieden hat, aber dennoch zwischendurch am Entscheid zweifelt?
Hab keine Angst vor der Reue. Es kann sein, dass du irgendwann mal den Zweifel spürst. Was wäre gewesen, hätte ich mich doch für Kinder entschieden? Das muss überhaupt nicht heissen, dass du dein Leben verspielt hast. Es ist normal, ab und zu solche Gedanken zu haben und eine leichte Wehmut zu spüren, wegen Dingen, gegen die man sich entschieden hat. Das gehört zum Leben dazu. Du hattest damals Gründe, warum du dich für ein kinderfreies Leben entschieden hast, und du hast auch weiterhin die Möglichkeit, dein Leben zu gestalten.
Ist es der einfachere Entscheid, kinderfrei zu leben, weil dieser Entscheid mit weniger Konsequenzen verbunden ist resp. man den Entscheid eher noch rückgängig machen kann?
Es ist keine einfache Entscheidung und feige ist weder das Eine noch das Andere. Es ist mutig, eine Entscheidung zu treffen und mit den Konsequenzen zu leben.
Was stört dich am meisten in der öffentlichen Debatte über ein Leben mit/ohne Kinder?
Dass die beiden Lebensentwürfe gegeneinander ausgespielt und Frauen ohne Kinder gegen Mütter aufgewiegelt werden und umgekehrt. Das ist so spaltend und so unnötig.
Wie können wir im Alltag entspannter über das Thema sprechen und das gesellschaftliche Miteinander verbessern?
Wir könnten uns mehr trauen, über uns zu sprechen und unsere unterschiedlichen Lebensentwürfe zu thematisieren. Freund*innen mit und ohne Kinder könnten sich trauen, einander zu erzählen, wie es ihnen mit ihrer Elternschaft und dem kinderfreien Leben wirklich geht und welche Bedürfnisse sie jeweils haben. Das ermöglicht mehr Verständnis und ein besseres Miteinander.
Siehst du Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland?
Durch Schweizer Teilnehmer*innen im Online-Kurs bekomme ich mit, dass es in der Schweiz offenbar schwieriger ist, als Mutter zurück in eine Vollzeitstelle zu kommen und dass im Vergleich zu Deutschland die Elternzeit sehr verkürzt ist. Für Väter gibt es nur 2 Wochen Elternzeit – das hat mich schockiert! Die Möglichkeit, Elternschaft gleichberechtigt zu gestalten und die Care-Arbeit gerecht aufzuteilen, scheint damit noch schwieriger zu sein als in Deutschland – wo es auch schon nicht so einfach ist. Ich kann mir vorstellen, dass dies ein Faktor ist, der Schweizer*innen die Antwort auf die Kinderfrage zusätzlich schwer macht.
Was hat dir persönlich bei der Kinderfrage am meisten geholfen?
Mir hat es geholfen, zu merken, dass mich der Gedanke an ein Leben mit Kind neugieriger macht und mich mehr belebt als der Gedanke an mein Leben ohne Kind. Das hat mich letztlich dazu bewogen, es zu tun.
Und zum Abschluss noch eine Jokerfrage:
Die Kinderfrage hast du für dich persönlich ja bereits beantwortet. Welche andere Frage ist aktuell sehr dominant in deinem Leben?
Ob ich aufs Land ziehen möchte oder in der Stadt bleiben will.
Die Kinderfrage
Dahinter stecken Anna Schmutte, systemische Einzel- und Paartherapeutin, Körpertherapeutin und Coach, die spät und glücklich Mutter geworden ist, obwohl sie lange sicher war, keine Kinder zu wollen und Sarah Diehl, Autorin des Bestsellers «Die Uhr, die nicht tickt», Kulturwissenschaftlerin und Aktivistin, die keine Kinder hat und keine eigenen will.
Weitere Infos und alle Kurs-Angebote findest du unter